24. Oktober 2022

Glück durch Sport

Glück durch Sport

Bewegung macht glücklicher. Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftler erforschen, warum wir uns nach dem Sport besser fühlen, aufmerksamer sind und uns besser konzentrieren können.

Wenn auf einer Tartanbahn junge Menschen in Sportmontur laufen, die eine Art Badekappe tragen, aus der unzählige Kabel herausragen – dann erforscht Vera Abeln das Glück. Die promovierte Sportwissenschaftlerin an der Deutschen Sporthochschule in Köln will wissen, warum und wie Sport das Wohlbefinden steigert. «Sport hebt die Stimmung, macht gelassener und stressresistenter und kann Depressionen vorbeugen», sagt Abeln. 

Viele Sportlerinnen und Sportler beschreiben unglaubliche Glücksgefühle, Euphorie oder eine tiefe innere Zufriedenheit während des Sports und bis zu zwei Stunden danach. Mit den «Badekappen», die in Wirklichkeit dazu dienen, die Hirnströme zu messen, versucht Abeln zu ergründen, was im Zusammenhang mit Joggen im Gehirn abläuft. 

Was passiert im Gehirn?

«Beim Sport kommt man in einen Flow. Dieses Gefühl kann süchtig machen. Danach ist man geistig kreativer und hat mehr gute Ideen», sagt Patrik Noack, Leiter Sports Medical Center Medbase Abtwil und Chief Medical Officer Swiss Olympic Team.

Wie diese Wirkung zustande kommt, dazu gibt es mehrere Hypothesen. Eine davon ist die Hypofrontalität. Gemeint ist, dass die Hirnaktivität im Bereich des Stirnhirns durch Ausdauersport gedrosselt wird. Dieser Teil des Gehirns ist unter anderem für das Denken zuständig und sorgt dafür, dass wir vernünftig handeln.

Das Tempo selbst bestimmen

Abeln benutzt das Bild eines Computers, der viele Arbeitsprozesse zugleich erledigen muss. «Schaltet man ein paar Programme ab, schafft er die relevanten Aufgaben besser.» Etwa so wirke Sport aufs Gehirn. Das «Rauschen» der Nervenzellen im Gehirn ist nach dem Sport vermindert. Deshalb sei man danach aufmerksamer und konzentrierter. «Laufen macht den Kopf frei», sagt die Sportwissenschaftlerin. Das gilt vermutlich umso mehr, wenn die Läuferin oder der Läufer das Tempo selbst bestimmt.

Für Glücksgefühle sorgen auch Endocannabinoide, die beim Sport vermehrt gebildet werden. Das sind Botenstoffe, chemisch dem Cannabis ähnlich, die aus dem Blut ins Gehirn gelangen. Sie wirken wohlig entspannend. Vermutlich trägt ein ganzer Botenstoff-Cocktail zum Sportglück bei: «GABA, BDNF, IGF-1, Serotonin …» – den Substanzen, die Vera Abeln aufzählt, ist gemein-sam, dass sie bei körperlicher Aktivität ver-mehrt oder vermindert produziert werden, was positiv auf die Hirnzellen wirkt. 

Bewegung baut Stresshormone ab

Glücksfördernd wirkt auch, dass der Körper durch Bewegung Stresshormone abbaut. Und schliesslich ist der positive Effekt auf den Schlaf ein Grund, warum sich körperlich aktive Menschen oft besser fühlen als solche, die es gemütlich nehmen.

Welche Sportdosis es für das Wohlgefühl braucht, ist noch nicht klar. Die meisten Studien legen nahe, moderat Sport zu treiben und ausreichende Erholung einzuplanen. «Bei hochintensiver körperlicher Belastung kann die Stimmung bei einigen Menschen umschlagen», warnt Vera Abeln. 

Mit Sport im Hier und Jetzt ankommen

«Es gibt gute Studien, denen zufolge Sport bei depressiven Menschen so gut wirken kann wie ein Antidepressivum», sagt Oliver Stoll, Professor für Sportpsychologie, -pädagogik und -soziologie an der Universität Halle-Wittenberg. Der zentrale Punkt beim Sport sei, «wegzukommen vom belastenden Grübeln ins Hier und Jetzt». 

Sport stärkt das Gefühl, selbst etwas bewirken und vollbringen zu können. «Es gibt ein gutes Selbstbewusstsein, wenn man zehn Klimmzüge nacheinander schafft», sagt Patrik Noack. Oliver Stoll empfiehlt Sportarten, «bei denen man nicht verlieren kann. Um langfristige Veränderungen zu erzielen, sollten Sie mindestens sechs Monate lang ein- bis zweimal pro Woche trainieren.»

Sportlerinnen und Sportler auf «Entzug»

Wer das beherzigt, wird bald einen anderen Effekt bemerken. «Wenn man eine Weile nicht trainieren kann, wird man unzufrieden und grantig», weiss Patrik Noack aus eigener Erfahrung. Vera Abeln hat auch das untersucht – mit Sportstudierenden, die 30 Tage lang als «Couch-Potatoes» leben sollten. «Die geistige Leistung, die Stimmung, der Schlaf – alles wurde schlechter», sagt Abeln. «Es war erstaunlich, wie schnell das ging.»

( Dr. med. Martina Frei)

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